Nico Stehr und Hans von Storch

Wetter, Klima, Mensch

Erscheint 1999 in der "Wissen"-Reihe des Beck Verlages München

Das vorliegende Buch diskutiert das Wort "Klima", das von jedermann verstanden wird - wobei sich bei genauerem Hinsehen erweist, dass je nach Herkunft und Bildung ganz verschiedene Dinge unter dem Begriff "Klima" verstanden werden. Da gibt es zum einen die Sphären des Alltagswissens und des Expertenwissens - oder in anderen Worten: das soziale und das wissenschaftliche Konstrukt "Klima". Oft wird Klima als etwas "statisches" verstanden, in dem "normale Zeiten" und Extreme nach festen Wahrscheinlichkeiten auftreten - in diesem Sinne ist Klima dann eine Randbedingung und Ressource. Andere sehen die durch den Menschen verursachte Veränderungen im Vordergrund - in dieser Sicht ist Klima ein Risiko und Bedrohung.

Die Autoren versuchen ein Bestandsaufnahme der verschiedenen Begrifflichkeiten und diskutieren die Bedeutung für die gegenwärtige Klimadebatte.


 
 




 

Kommentare

Werner Krauss, Hamburg, 14. April 1998

"Wer hätte das gedacht, dass eines Tages tatsächlich Bedarf an den sozialen und kulturellen Aspekten der Umweltproblematik besteht. Es sind denn auch die Kapitel in Ihrem Buch, die Klima als soziales Konstrukt behandeln, die mich am meisten interessieren, und die ich für sehr gelungen halte. Die Grenzlinie zwischen den "zwei Kulturen" der Kultur- und Naturwissenschaften zieht sich ja auch quer durch das Fach Ethnologie, und ich habe mich über Ihre Kritik an den umweltdeterministischen Richtungen in allen ihren Variationen sehr gefreut. Die bemühte Annäherung vieler Sozial- und Kulturwissenschaftler an naturwissenschaftliche Quantifizierungsverfahren zeitigen selten vernünftige Resultate, und die Stärke der Ethnologie und benachbarter Disziplinen liegt meiner Meinung nach eindeutig auf der Analyse der kulturellen und symbolischen Aspekte.

Ich lese so das Buch auch als Bestätigung meiner derzeitigen Arbeit über Umweltkonflikte im südlichen Portugal. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der Analyse von Umwelt als einer sozialen Konstruktion. Ausgangspunkt sind die Konflikte zwischen lokaler Bevölkerung und der Verwaltung eines Naturparks. Ich untersuche dabei den symbolisch-diskursiven Aspekt dieser Auseinandersetzungen, ausgehend von der naturwissenschaftlich-ökologischen Neudefinition dieser Region und deren Institutionalisierung in Form eines Naturparks. Der Neusymbolisierung der Region als einem Ökosystem, als Biotop, der Tiere und Pflanzen entlang der Kriterien wie der roten Liste vom Aussterben bedrohter Spezies etc. und nicht zuletzt der Bevölkerung als "menschlicher Population" und potentiellem Aggressor stelle ich traditionelle lokale Repräsentationen der Umwelt gegenüber. Erst so werden die lokalen Proteste gegen den Umweltschutz verständlich: "Wir wollen nicht in einem Indianerreservat leben" oder "Hier leben nicht nur Fischotter, sondern auch Menschen". Umweltschutz erweist sich zwar als naturwissenschaftlich legitimiert, in seiner Umsetzung aber auch als eine soziale Praxis und eine Machttechnik.

Diesen Aspekt der sozialen Dimension von Umwelt finde ich auch in Ihrer Arbeit wieder, und ich nehme an, dass angesichts zunehmender Umweltkonflikte dieser Aspekt an Gewicht gewinnen wird. Ausserdem habe ich viel über die Klimaforschung gelernt, und man liest sowas ja auch als Bürger - wie ging das nochmal mit dem Treibhauseffekt? In der Ethnologie finden sich übrigens auch viele Beispiel für die Angst vor globalen Klimakatastrophen, praktisch seit Beginn des Imperialismus - insbesondere wurden die tropischen Inseln nicht nur als Paradiese angesehen, sondern auch die Abholzung derer Wälder wurden von besorgten Wissenschaftlern und Politikern in England als bedrohlich für das Weltklima diskutiert (Grove - Green Imperialism).


Heike Langenberg, 10. April 1999

In ihrem Büchlein "Klima, Wetter, Mensch" greifen Nico Stehr und Hans von Storch die komplizierten Wechselwirkungen zwischen Klima und Mensch - mit dem Wetter als unmittelbar wahrnehmbarem Ereignis vermittelnd zwischen den beiden - auf. Das Thema wird von den verschiedenen Seiten beleuchtet: Beeinflußt das Klima den Menschen? Beeinflußt der Mensch das Klima? Und wie wurde über diese Fragen im Laufe der Jahrhunderte gedacht? Ein hübsches Spiel mit den Möglichkeiten, das den Sinn öffnet für eine weniger gefühlsbeladene Debatte als sie gegenwärtig über das Thema Klimaänderung üblich ist.

Im ersten Teil wird Klima als Konstante beschrieben. Das Unterkapitel "Klima als soziales Konstrukt" handelt davon, wen und was Menschen in verschiedenen Kulturen und Zeiten für Wetter und Klima verantwortlich machten: Götter, Hexen, Sterne. Dem wird ein Unterkapitel "Gesellschaft und Mensch als klimatisches Konstrukt" gegenübergestellt, das die Geschichte des Klimadeterminismus darstellt - der für lange Zeit populären Idee, dass das lokale Klima letztendlich für die Eigenschaften ganzer Völker verantwortlich ist. Dass es in dieser Hinsicht rassistische Auswüchse gegeben hat, wird deutlich; dass das Klima dennoch auch Rahmenbedingungen stellt, erwähnen die Autoren immerhin noch in ihrer Zusammenfassung am Ende des Buches. In ähnlicher Weise wie das konstante Klima im ersten Teil wird im zweiten Teil des Buches die Vorstellung eines veränderlichen Klimas ausgeführt: verschiedene Ansichten kommen zu Wort und werden kommentiert. Eine allumfassende Lösung wird nicht gegeben oder auch nur in Aussicht gestellt.

Das Buch ist angereichert mit teils amüsanten, teils nachdenklich stimmenden historischen Zitaten. Hintergrundinformationen über das Klimasystem werden mitgeliefert, wo sie benötigt werden. Wer Lust hat, in die verschiedenen Schuhe zu schlüpfen, die angeboten werden - historische, physikalische, klimadeterministische, politische, ökonomische - wird sein Vergnügen beim Lesen dieser Seiten haben, aber auch reichlich Ansatzpunkte für Widerspruch und eigene Anmerkungen finden. Weder Klima noch Menschen sind leicht zu durchschauen - um so mehr lohnt es sich, über ihre wechselseitigen Beziehungen nachzudenken.
 


Artikel in der WELT 5. Juni 2001.